Inhalt der Wissenschaft
Der Inhalt der Wissenschaft ist Text. Dies hat man bisher nicht gewusst, weil man über den fundamentalen Textbegriff nicht verfügte, man hat es aber seit eh und je praktiziert.
In der Wissenschaftsgeschichte hat man die Erkenntnisse mit verschiedenen Mitteln fixiert und weitergegeben: menschliche Sprache — Vers und Prosa —, Zeichnungen in der Geometrie, ideographische Symbolsprache in der Algebra — später auch in der Logik und der Mathematik überhaupt — und neuerdings Computeralgorithmen. Man hat seit jeher das Wissen gesammelt und sich bemüht, die Aussagen einzeln zu verbessern, in Zusammenhang miteinander zu bringen, und die Summe in einzelnen Handbüchern und Enzyklopädien zusammenzustellen, seit der Bibliothek von Alexandria über die mittelalterlichen Summen und die Enzyklopädien der Moderne bis zum World Wide Web.
Seit der Antike hat man menschliche Sprache grammatikalisch analysiert, man hat jede Sprachproduktion auf syntaktische Struktur und Wortschatz zurückgeführt. Die Syntax hat man in einer Baumstruktur dargestellt, wo jedem Knoten eine Kategorie — Satz, Verb, Nomen — und eine Reihe untergeordneter Knoten als Bestandteile zugewiesen hat. Eine ähnliche Syntaxanalyse lässt sich mit den algebraischen Ausdrücken machen. Eine solche Analyse können wir auch mit den geometrischen Abbildungen machen, seitdem Descartes mit algebraischen Mitteln die Geometrie erschloss. Die Computeralgorithmen werden in Programmiersprachen ausgedrückt und vom sogenannten Compiler syntaktisch analysiert. Prosa, Algebra und Computerprogramme sind also keine grundverschiedene Phänomene, sondern unterschiedliche Darstellungen von ein und derselben logischen Struktur, dem Text.
Der Inhalt der Wissenschaft ist daher nicht etwas Prosa plus etwas Algebra plus etwas Software, sondern der darunterliegende Text. Wir können diese Tatsache sicherlich ignorieren und weiterhin diese drei Erscheinungen getrennt voneinander pflegen, doch damit verpassen wir nur Chancen. Die Wissenschaft wird ihre Stärke vervielfachen und zu neuen Ufern kommen, wenn sie realisiert, dass alles, was sie hervorbringt, ein Text ist, und wenn sie all ihre Ergebnisse in ein einheitliches, allumfassendes, auf einen einzigen fundamentalen Textbegriff basierendes Textkorpus integriert.