Textantrieb

Manuskript

Einleitung

Leitwort

Diesen Seiten tut — um es mit Nietzsche und Wittgenstein auszudrücken * — nicht nur ein Vorwort not, denn nur diejenigen, die selbst bereits etwas ähnliches erahnt haben, werden damit auch etwas anfangen können. Es geht um alles, und zwar als eins. Es geht um die Komplexität der heutigen Welt und wie wir sie meistern können, um die Zerstreutheit unseren Wissens und wie wir es integrieren können. Hier werden nicht die vielfachen Probleme erörtert — diese müssen die Lesenden mitbringen —, sondern deren einheitliche Lösung skizziert und ganz neue und aufregende Möglichkeiten aufgezeigt. Hier wird aber keine ausgeklugelte Theorie, sondern ein einziges Prinzip aufgestellt. Ein Prinzip, das nichts neues entdeckt und doch eine neue Welt aufmacht. Es geht um Sprache und Vernunft, um das λόγος der Griechen und das animal rationale der Römer. Oder, um es mit dem hiesigen Wort zu bennenen: Es geht um Text.

Es wurde schon früh erkannt, dass Sprache das unterscheidende Merkmal des Menschen ist. Seit der Antike untersuchen wir die Grammatik der Sprache, ebenso wie die Algebra. Das Mittelalter brachte die Universitäten und die systematische Sammlung von Wissen hervor. In der Neuzeit entstand die moderne Naturwissenschaft und im letzten Jahrhundert die Computertechnik. Diese sind keine voneinander unabhängigen Phänomene: Die Grammatik kann mit algebraischen Mitteln ausgedrückt werden, Wissen wird sprachlich erschlossen und weitergegeben, und dessen systematische Darstellung in der Wissenschaft verbindet mathematische Sprache mit natürlicher Sprache und neuerdings auch mit Computeralgorithmen. In all diesen Bereichen können wir die gleichen Formen erkennen.

Wenn wir Text als ein artikuliertes symbolisches Gebilde definieren und es nicht scheuen, eine algebraische Definition dessen zu wagen und sie konsequent in allen Bereichen einzusetzen, wie wir es hier tun, beginnen wir, alles mit neuen Augen zu sehen und erkennen, dass diese Phänomene trotz unterschiedlicher Auswirkungen viel gemeinsam haben, insbesondere in ihrer Verwendung und Abhängigkeit von Text. Plötzlich erscheinen Worte wie Organisation, System, Struktur, Theorie, Gesetz, Logik oder Vernunft in einem neuen Licht: Von allen erfahrungsbezogenen Kleidern befreit, erscheinen sie als bloße Ausformungen des Umgangs mit Texten. Denn es ist kein Zufall, dass der Mensch das sprachbegabte Wesen ist: Alles, was er tut, ist von Text durchzogen. Drehe es, wie man wolle, Menschen tun bei jedweder Tätigkeit auch dieses eine mit: Texte erfassen, umwandeln, interpretieren, verhandeln, überliefern. Dies ist keine aufregende neue Metapher, sondern eine von allem Pathos entledigte Tatsache.