Textantrieb

Manuskript

Text-Phänomenologie

Text in: Schriften

Wir haben bereits den Text in der natürlichen Sprache charakterisiert und dabei auch den schriftlichen Ausdruck eines einzelnen Satzes berücksichtigt. Gehen wir nun weiter und schauen uns den schriftlichen Ausdruck in seiner ganzen Breite an.

Was ist Schriftlichkeit? Die Schriftlichkeit ist eine Kulturtechnik, die in den letzten fünf Jahrtausenden entstand. Wenn die Einschätzung stimmt, dass es moderne Menschen seit über zweihundert Jahrtausenden gibt, so dürfte unsere Spezies gute 97% der Zeit ohne Schriftlichkeit ausgekommen sein.

Schriftzeichen

Schriftlichkeit ist nicht gleichzusetzen mit verschriftlicher natürlicher Sprache. Schriftlichkeit ist ein viel allgemeiner Phänomen und besteht überhaupt im Einsatz von Schriftzeichen. Ein Schriftzeichen ist eine von Menschen gemachte visuelle Darstellung eines Symbols. Schriftlichkeit kommt überall vor, wo es eine künstliche visuelle Darstellung von Symbolen in einer bestimmten räumlichen Anordnung gibt, die zusammen genommen ein Symbolgebilde darstellen.

Schriftzeichen können neben sprachlichen auch andersartige Symbole abbilden. Zu den frühesten überlieferten Schriftzeichen zählen die Tonfiguren aus dem frühen Nahen Osten, die ein Zahlensystem repräsentierten. Zu den gegenwärtigen Schriftzeichen gehören neben den logographischen und alphabetischen Schriftsystemen viele Zeichensysteme, von der mathematischen Notation über die Verkehrsschilder bis zu den gängigen Warn- und Orientierungsschildern in Gebäuden.

Eine Eigenschaft der historischen Schriftzeichen besteht darin, dass ihre Verstofflichung dauerhaft ist. Während ein mündlicher Ausdruck nur für die Dauer seines Aussprechens wahrnehmbar wahr, blieb ein Schriftstück so lange wie seine materielle Unterlage bestehen. Schriften auf bestimmten Materialien (Stein, Ton, Pergament) haben Jahrhunderte bis Jahrtausende überdauert. Dies ermöglicht zurzeit eine viel reichere historische Betrachtung der schriftlichen Erzeugnisse als mit den mündlichen möglich ist. Dauerhaftigkeit von schriftlichem und Vergänglichkeit von mündlichem Ausdruck sind aber keine Wesensmerkmale dieser Ausdruckformen, sondern technikbedingte historische Fakten. Das könnte sich mit der Zeit ändern. Inzwischen lässt sich mündlicher Ausdruck aufnehmen und bei Bedarf wiedergeben, und auf Displays erscheinender schriftlicher Ausdruck kann vergänglich sein. Wie es mit der Beständigkeit der digitalen Erzeugnisse der Gegenwart steht, ob sie Jahrzehnte, Jahrhunderte oder Jahrtausende fortbestehen werden, ist eine völlig offene Frage.

Nichtsprachliche Schriften

Von Kennzeichen bis Zahlensysteme.