Textantrieb

Manuskript

Text

Fundamentallinguistik

Wir möchten nun etwas näher erörtern, unter welchem Gesichtspunkt die vorliegende Untersuchung stattfindet und welchen Zweck sie verfolgt.

Wenn hier der Begriff von Text mehr oder minder formal definiert wird, so wirft man damit zunächst eine weitere Bedeutung eines bereits schon viel beladenen Worts in den Diskussionsraum, die sich auf die Lesenden zunächst befremdend, irritierend, ja anstößend auswirken kann.

Ich hätte natürlich für diesen Begriff einen anderen Namen wählen können, und das hätte mir vielleicht hie ein Missverständis und da eine Anfeindung gespart. Zum einen geht es mir um die Sache, die beschriebene Erscheinung, und da kann ich wie jeder Autor das Recht beanspruchen, in meinen Ausführungen einen Begriff selbst zu definieren und einzusetzen. Zum anderen aber werde ich nicht verschweigen, dass ich mich selbst nicht darauf beschränke, sondern auch im allgemeinen Sprachgebrauch den hiesigen Textbegriff als Ersatz für die bisherigen Textbegriffe vorschlage, weil er mir besser als diese erscheint. Ich halte diesen Textbegriff nicht nur theoretisch für eine solide Grundlage, sondern auch kulturell für ein präziseres Verständnis eines zentralen Phänomens.

Nun zum Begriffsinhalt. Jedem ist spontan ein Zusammenhang zwischen Text und Textilien klar: Text ist irgendwie Gewebe. Diese Vorstellung gilt es zu konkretisieren, das Verständnis zu vertiefen. Aus welchem Stoff bestehen die Fäden und wie werden sie verbunden? Der hiesige Textbegriff ist ein Schritt in die Richtung, diese Frage zu klären.

Man könnte für den hiesigen Ansatz den Namen Fundamentallinguistik prägen. Text ist etwas, das offenbar viel mit Sprache zu tun hat. So liegt für das Studium der Texte der Name Linguistik nahe. Es gibt kulturell orientierte Sprachwissenschaften, die Sprachen und Kulturen einzeln oder im Vergleich untersuchen, und es gibt eine allgemeine strukturelle Sprachwissenschaft für alle menschlichen Sprachen, doch die Fundamentallinguistik zielt noch tiefer in die Grundlagen hinein und löst sich von der menschlichen Sprache überhaupt. Fundamentallinguistisch betrachtet sind die menschlichen Sprachen Instrumente zur Textproduktion, aber es gibt auch andere Instrumente zur Textproduktion — zum einen künstliche Sprachen, aber auch andere Möglichkeiten, Texte herzustellen, zu verarbeiten und verbrauchen. Die Fundamentallinguistik hat grundsätzlich nichts zu tun mit dem, was Menschen mit Text erleben, tun oder kommunizieren, sondern geht es ihr — auch in vom Menschen eingesetzten Texten — einzig und allein um das, was außerhalb der Menschen jeweils da ist, also um die Realität. Außerdem ist es so, dass nicht nur Menschen, sondern auch biologische, mechanische und elektronische Prozesse mit Text hantieren können.

Die Fundamentallinguistik ist auch keine Semiotik. Sowohl die kulturelle als auch die materielle Dimension der Semiotik fallen außerhalb des Gegenstands der Fundamentallinguistik. Weder die Beschaffenheit der Zeichenträger noch die Botschaften oder Handlungen, die die Zeichen übertragen oder hervorrufen, werden von der Fundamentallinguistik untersucht. Symbole stellen für die Fundamentallinguistik die Grenze dar. Diese werden als Artikulationsknoten von Texten aufgefasst. Wo Symbole anfangen, hört die Untersuchung auf. Was alles mit ihnen geschieht, ist nicht ihr Geschäft.

Eine solche Fundamentallinguistik ist die Absicht — nicht das bereits erzielte Ergebnis — der vorliegenden Untersuchung.