Textantrieb

Manuskript

Text-Phänomenologie

Vertextung

Die Vertextung besteht darin, einen Gegenstand oder ein Aspekt durch einen Text darzustellen. Der Text entsteht durch die symbolische Reduktion: man führt das Objekt auf bestimmte Symbole und bestimme Beziehungen zwischen ihnen zurück.

Mündlicher Ausdruck ist Vertexten. Die symbolische Auffassung der Wirklichkeit ermöglicht eine besondere Art der Kommunikation zwischen den Menschen und den Aufbau der gemeinsamen Realität.

Schriftlicher Ausdruck ist ein noch mächtigeres Vertexten: Der verschriftliche Text kann größer sein, kann fixiert und überliefert werden. Das Gedächtnis begrenzt die Schrift nicht mehr, diese kann immer wieder hie und da ergänzt und verbessert werden, und zwar von mehreren Personen, kann aufgehoben und später wieder aufgeschlagen werden. Die Wohlordnung durch Schriftlichkeit ist insofern größer.

Formaler Ausdruck bringt die Wohlordnung zu neuen Ufern, indem er die Grenzen des Individuums und seiner Subjektivität sprengt. Prosa muss „am Stück” gelesen und gedeutet werden. Das ist nicht nur Zeitaufwändig und hat Grenzen der Machbarkeit, sondern ideologisch behaftet. Der formale Ausdruck ermöglicht den Einsatz des Textes ohne zeitgleich bestimmte Auslegungen einzusetzen. Die Beweglichkeit im Vertexten ist viel größer. Die moderne Naturwissenschaft ist eine Errungenschaft des formalen Ausdrucks.

Computermäßige Vertextung — Digitalisierung genannt — ist die bislang letzte erreichte Stufe der Vertextung. Die maschinelle Konstruktion, Aufbewahrung, Umwandlung und Übermittlung von Text führt die Möglichkeiten von mündlichem, schriftlichem und formalem Ausdruck zu neuen Ufern. Die Texte können noch größer werden, können noch von mehr Menschen bei Bedarf geteilt werden und unter noch mehr verschiedenen Konfigurationen abgefragt werden.

Ein Novum ist hier, dass sich nun die Vertextung nicht mehr auf den Ausdruck eines Sachverhaltes beschränkt, sondern dessen Handhabung einschließt. Dieses macht die Digitalisierung aus. Ein analoges Foto kann ich nur aufnehmen und später ansehen — ein digitales kann ich auch auf vielfältiger, ja unbegrenzter Weise bearbeiten.

Doch damit sind alle Möglichkeiten des Texteinsatzes lange nicht erschöpft. Die nächste Stufe der Vertextung, die zu erreichen gilt, ist die organonische Vertextung. Diese besteht darin, das Prinzip der Vertextung konsistent überall eindringen zu lassen: in Wissenschaft, in Computertechnik, in allen Bereichen der Organisation.