Das Organon
Ein Organon ist dringend notwendig, um die intellektuelle Arbeit der Menschheit zu urbanisieren. Ausgehend von dem richtigen Textbegriff ist dies auch möglich.
Unter dem Namen Organon schlage ich eine neue Wissenschaft vor. Das Organon soll alle Bereiche der intellektuellen Tätigkeit untersuchen. Sein Objekt ist ein Vielfaches: die Wissenschaft selbst, das Recht, die Technik, die Organisation aller menschlichen Gruppen, von kleinen Teams bis zu den Vereinten Nationen. Das Organon untersucht die Fundamente der intellektuellen Arbeit als solche, unabhängig vom Gegenstand, was nicht nur die Methodologie, sondern auch die Erzeugnisse betrifft. Das Organon ist deshalb möglich und sinnvoll, weil die Grundlage aller intellektuellen Arbeit vom Thema abgesehen die Beschäftigung mit Text ist.
Das Organon wird vor allem eins erringen: Integration. Indem alle intellektuelle Arbeit als Arbeit an Texten aufgefasst wird, werden verschiedene Aktivitäten vergleichbar und ihre Ergebnisse integrierbar. Die Mittel zur Textarbeit können für sich ausgereift und überall eingesetzt werden. Damit nimmt nicht nur die Wohlordnung in allen Bereichen zu, sondern entsteht auch das Bewusstsein für die Realität dessen, was man hervorbringt, unabhängig von unseren Vorstellungen und Werturteile darüber. Das bricht die sonst unentrinnbare Subjektivität und Kulturabhängigkeit aller intellektuellen Arbeit und die damit zwangsläufig verbundene Trennung der Arbeitsbereiche nicht aus sachlichen, sondern aus menschlichen Gründen. Heute kommen wir aus der Vielzahl armseliger Hütten für die wenigen nicht heraus, mit dem Organon werden wir eine prächtige Stadt für alle bauen können. Heute weiß der eine dieses und der andere jenes, keiner kommt aber aus den eigenen Einsichten und Irrtümern heraus. Mit dem Organon werden Errungenschaften wie die phänomenologische Grundlagenforschung, die Entdeckungen der Soziologie, die Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft oder die philosophische Kritik und Intuition allen Wissenschaften zugutekommen und sich nicht mehr in fruchtlosem Selbstbezug verzehren. Mit dem Organon wird die kollektive Intelligenz der Menschheit von einer gestaltlosen, sich nur peripherisch vermehrenden Masse zu einem mit Wirbelsäule versehenen, des balancierten Wachstums fähigen Organismus.
Titelkupfer zu Francis Bacon, Novum Organum, 1620
Das von Francis Bacon gewählte Sinnbild des Organons als Schiff, das zum Horizont ausgerichtet ist, gilt auch für das hiesige Organon. Das Organon ist das Werkzeug, durch das die Menschheit die Säulen des Herkules, das Ende der bekannten Welt, überholt und zu neuen Ufern aufbricht. Das Organon ist der von Menschen konstruierte Apparat, der uns befähigt, die Ohnmacht des Einzelnen zu überwinden und in Zusammenarbeit Unerhörtes zu leisten, die Grenzen, die uns bisher einsperren, hinter uns zu lassen und ungeahnte neue Gebiete zu erschließen. Durch das Organon werden wir auf dem Ozean der Möglichkeiten vieles erleben und erringen und in eine neue Welt vorstoßen.